Haul

Oberflächliche Probleme

Rarr jaulte vor Freude. Der Rabit tat alles, um die Jagd spannend zu machen. Um die Chancen ein wenig auszugleichen und da sie viel Zeit hatte, hatte sie die Daten der Überwachungsdrohne ausgeblendet und folgte der Spur allein mit Hilfe ihrer Fähigkeiten. Nach einer Weile führte sie in eine Sackgasse. Da das dichte Blattwerk hier unbeschädigt war, musste der Rabit in seiner eigenen Spur zurückgelaufen sein. Rarr schnüffelte. Da waren Spuren eines Geruchs, vielleicht eine Substanz für Vakuumversiegelungen oder eines der Deodorants, welche die Rabit so liebten und in grosser Menge anwendeten. Sie folgte der Spur zurück, ihre Sinne angespannt. Als der Dschungel sich lichtete hielt sie an, sah sich um, nahm den Geruch in sich auf. Nachdem sie beide Seiten geprüft hatte, war sie sich sicher, dass der Rabit nicht hier verschwunden war, also folgte sie der Spur noch etwas weiter. An der zweiten Stelle, wo der Rabit hätte verschwinden können, ohne eine Pflanze zu beschädigen, fand sie den Geruch links vom Pfad wieder. Ihre Fangzähne blitzten auf. Der Rabit war klug. Das gefiel ihr. Leise folgte sie der neuen Spur.

Forne beobachtete die Wachen mehrere Minuten, aber ihre Wachsamkeit liess keine Sekunde nach. Er zielte sorgfältig. ' Mit besten Grüssen von Pantero.'

Rarr schlich lautlos näher. Der Rabit hatte sich eine Weile lang nicht bewegt. Sie wunderte sich warum. 'Was macht er da?' Sie schüttelte den Gedanken ab und prüfte den Wind. Ihr persönliches Schirmfeld hatte sie schon lange deaktiviert, um riechen zu können. 'Nur noch ein paar Meter ...'

Im Orbit beobachtete die Operatorin, wie Rarr immer näher an den Rabit herankroch, der seit einer Weile hinter einem Baum sass. Während sie noch überlegte, was Rarr wohl bezweckte begann der Rabit plötzlich zu schiessen.

Forne feuerte drei Schuss auf den Kopf der linken Wache ab, bevor er rasch das Ziel wechselte. Er hatte Gerüchte gehört, dass ein Haul zuschlagen konnte, bevor man mitbekam, dass er sich überhaupt bewegte, daher wollte er ihnen keine Chance zu einer Reaktion geben. Ein Baum schütze ihn vor einem Angriff aus dem Schuttle. Sein Plan war simpel: Nachdem er die vier Haul hier getötet hatte, würde er die folgende Verwirrung nutzen, um die anderen vier einzeln in die Falle zu locken. Der Dschungel war so dicht, er war sich sicher, dass er sich problemlos in der Nähe verbergen konnte, ohne dass sie ihn bemerken würden.

Fünf der sechs Schüsse waren Treffer. Fornes Augen weiteten sich entsetzt, als sie keine Wirkung hatten ausser die Kreaturen bei jedem Treffer in einen intensives, blaues Leuchten zu hüllen. 'Nein!' dachte er entgeistert. 'Das gibt's nicht!'

Voller Verzweiflung war er drauf und dran ein ganzes Magazin auf die Wachen zu feuern, als er direkt hinter sich ein scharfes Bellen hörte. Adrenalin schoss durch seinen Körper, als er einen Haul bemerkte, der sich fast an ihn herangeschlichen hatte. Ohne nachzudenken wirbelte Forne herum und sprang mit aller Kraft seiner Beine. Die Zeit dehnte sich. Seine rechter Stiefel krachte in die Spitze der langen Schauze des Haul. Das Biest taumelte langsam rückwärts, die Arme ruderten hilflos in der Luft. Als Forne direkt über ihr war, rammte er den linken Fuss nach unten und sandte die Kreatur zu Boden. Während sie fiel, feuerte er ohne zu zielen einige Schüsse nach unten ab. Ohne nachzusehen ob seine Attacke irgendeinen Effekt hatte, stürzte er sich erneut in die Sicherheit der Vegetation.

Der plötzliche Angriff traf Rarr völlig überraschend. Schneidender Schmerz fuhr durch ihr Kinn, als der Stiefel in ihre Schnauze gerammt wurde. Etwas in ihrem Kopf zerbrach mit einem ohrenbetäubenden Knacken. Bevor sie die Balance wiederfinden konnte, schmetterte ein zweite Einschlag auf ihrem Kopf sie zu Boden. Die Schmerzunterdrückung setzte gerade ein, als sie den Sturz mit ihren Pfoten abfing. 'Er muss meinen Kiefer gebrochen haben!' realisierte sie, als kurze, schmerzhafte Stiche in ihren Rücken führen.

Sie aktivierte ihr Funkgerät mit Hilfe ihres Implantats. «Rabit hat mich angegriffen. Er läuft zurück in den Wald, Richtung 630.» Statusmeldungen ihres Anzugs erschienen in ihrer virtuellen Sicht. «Benötige medizinische Unterstützung, Rückenwunde.» Für sie war die Jagd vorbei. 'Seltsame Kreaturen.' Sie aktivierte die Erste-Hilfe-Funktion ihres Anzugs, um ihre Wunden zu verschliessen.

«Versucht sich an ihn anzuschleichen?» kam eine amüsierte Stimme über Funk. Ein weiterer Haul des Rettungsteams verliess das Schuttle. «Du weisst, das solltest du nicht tun.»

«Ja,» antwortete sie und verschaffte sich gleichzeitig einen Überblick über die Schäden, welche die überraschende Attacke angerichtet hatte. So weit sie mit der Medoeinheit des Anzugs sagen konnte waren keine wichtigen Organe oder Schlagadern verletzt. «Sei vorsichtig. Er verhält sich merkwürdig. Vielleicht ist er schon verrückt.»

Seine Ohren bewegten sich zustimmend. «Zentrale, bitte die Daten der Überwachungsdrohne.» Ein roter Punkt erschien auf der virtuellen Karte in seinem Sichtfeld. «Mein Leben für das Haus.»

'Wie haben die mich gefunden?' wunderte Forne sich, während er wieder durch den Dschungel rannte. He lief mehrmals in seiner Spur zurück und umrundete dabei das Shuttle, um sich von hinten zu nähern. Erneut verfluchte er die Erbsenzähler zuhause, die bei seiner Ausrüstung sämtliche Sprengkörper gestrichen hatten. Er wünschte wirklich, er hätte eine Miene, mit der er eventuelle Verfolger überraschen könnte.

Nach etwa drei viertel des Weges verbarg er sich in einer Kuhle unter einer Pflanze mit dicken, fleischigen Blättern, um herauszufinden, ob ihm noch jemand folgte. 'Scheisse!' fluchte er, als wenige Augenblicke später ein Haul auftauchte. Sorgfältig zielte er.

Sein Gegner hielt an. 'Ach, komm! Komm, nur noch ein kleines Stück näher!'

Es war als würde der Haul die Falle riechen. Das Biest starrte Forne an, als könnte es ihn durch das Blattwerk hindurch sehen. «Bitte folge mir zum Shuttle,» rief die Kreatur plötzlich.

'Blöd werd ich sein!' dachte Forne und eröffnete das Feuer. Rinde und Pflanzen um den Haul wurden zerfetzt, während die Kreatur nur da stand, mit flackerndem Schutzschild, seine sinnlosen Angriffe ignorierend.

«Mein Leben für das Haus. Bericht,» forderte die Offizierin sofort nachdem die Körperwerte des Haul einen Sprung gemacht hatten.

«Mein Leben für das Haus. Der Rabit Pilot hatte sich unter eine Pflanze gelegt. Ich habe ihn gerufen, aber aus unbekanntem Grund weigert er sich mit mir zu sprechen. Rarr hat mich bereits gewarnt, dass er sich merkwürdig verhält. Daher habe ich Abstand gehalten, als ich bemerkte, dass er angehalten hat. Er hat seine Waffe mehrmals in meine Richtung abgefeuert. Ich habe keine Erklärung für sein Verhalten.»

«Möglicherweise sein Todeswunsch?»

«Warum hat er dann nicht auf sich selbst geschossen? Vielleicht möchte er in Ruhe gelassen werden, aber warum sagt er das dann nicht?»

Die Offizierin konsultierte die psychologische Simulation, welche das Computernetz über den Rabit erstellt hatte. Leider waren die Modelle für die Simulation noch sehr einfach und unvollständig. Daher konnte der Computer nur raten, vorsichtig zu sein.

«Wir haben die Rettung der restlichen Überlebenden fast abgeschlossen. Fahren Sie mit der notwendigen Vorsicht fort, aber fassen Sie diesen Verrückten innerhalb einer Stunde. Wir haben hier schon genug Zeit verloren. Mein Leben für das Haus.»

«Verstanden. Mein Leben für das Haus.» Der Haul auf der Oberfläche prüfte die Position des Rabit auf seiner Karte und setzte sich dann in Bewegung, um ihn erneut abzufangen.

Ein kurzes Stück von der Verwüstung weg fiel Forne eine blinkende Anzeige auf. 'Mein Notsignal ist aktiv!' Der Rabit verfluchte sich selbst für seine Dummheit und schaltete seinen Funk ab. Während er wieder seine falschen Fährten im Dschungel legte, wunderte er sich, wie ihm so ein kapitaler Fehler hatte unterlaufen können. Es dauerte fast eine Stunde, bis er die Rückseite des Shuttles erreicht hatte. Die Wachen waren immer noch so aufmerksam wie er sie verlassen hatte.

Der Rabit blieb wo er war und sammelte Kraft für den Spurt zum Schiff. Da es offensichtlich unmöglich war die Wachen zu töten, änderte er seinen Plan: Er würde kurz nach dem Start seinen Kletterhaken am Shuttle befestigen. Den Flug draussen mitzumachen war vermutlich nicht sehr komfortabel, aber da das Schiff keine Düsen hat, war es vermutlich sicher und sein Anzug würde ihn noch mindestens 80 Stunden vor dem Ersticken bewahren.

Ein unerwarteter Ruf lies ihn herumfahren. Der Haul hatte ihn schon wieder gefunden. Mit einem gequälten Schrei sprang er zur Seite, zurück in den Dschungel.

Dieses Mal klebte der Haul an seinen Fersen. Forne brach so schnell er konnte durch die Vegetation. Saft rann in breiten Strömen an seinem Anzug herunter. Eine Wurzel brachte ihn zu Fall. Er stemmte sich mit zitternden Armen wieder hoch. Seine Beine fühlen sich an wie Blei. Das gesamte Universum schien nicht genug Luft zu enthalten um seine brennenden Lungen zu füllen. Er sehnte sich danach sich den Anzug vom Leib zu reissen, aber die stickige Luft draussen wäre noch schlimmer. Und ein kleiner Rest Vernunft wurde nicht müde ihn zu erinnern, dass er den Anzug brauchen würde, wenn er jemals den Planet verlassen wollte.

Hinter ihm heulte der Haul. Das animalische Geräusch sandte einen kalten Schauer seinen Rücken herunter, trieb ihn weiter. Er trampelte durch eine Art Farn, als er plötzlich keinen Boden mehr unter den Füssen spürte. Haltlos stürzte er. Mit einem erstickten Schrei landete er in einem seichten Fluss. Schmerz schoss trotz des gepolsterten Anzugs durch sein unteres, linkes Knie. Er hatte kaum noch die Kraft sich aus dem zähen Schlamm zu ziehen und auf den Rücken zu drehen. Matsch floss langsam von der schmutzabweisenden Oberfläche seines Visiers.

In der Lücke der Vegetation tauchte der Haul auf. Selbst durch den dunklen Helm konnte Forne die gebleckten Zähne sehen.

Da der Haul kaum Rabit sprach, verwendete er sein Implantat, um die Worte zu übersetzen. «Hello!» rief er zu dem Rabit hinunter. «Bis du jetzt fertig?»

Der Haul verschwand aus der Sicht, als Forne mit einem hasserfüllten Schrei auf den Lippen das Feuer eröffnete.

Die leitende Offizierin der Rettungsoperation war nicht überrascht, als sie von der Oberfläche gerufen wurde. «Rabit feuert erneut mit Gefechtsmunition auf mich. Beantrage Erlaubnis ihn ausser Gefecht zu setzen.»

«Und wieder einer,» dachte sie. Nur wenige Momente zuvor hatte sie einen Bericht gesehen, nachdem ein Rabit Pilot angefangen hatte wie verrückt um sich zu schiessen, nachdem man seinen brenenden Jäger in den Haupthangar geschleppt hatte. Die Crew hatte sofort reagiert und niemand war zu Schaden gekommen. Es war fast so, als wollten die Rabit nicht gerettet werden. 'Ich frage mich, wie das Universum so dumme Kreaturen hervorbringen konnte.'

Sie öffnete eine Verbindung. «Verstanden. Erlaubnis ihn ausser Gefecht zu setzen erteilt.»

«Verstanden,» came the reply.

Mit zitternden Pfoten zielte Forne auf die Kante der Böschung hinter der der Haul lauerte. Er hörte keine Geräusche und er konnte nicht sagen, ob einer seiner verzweifelten Schüsse getroffen hatte oder ob er irgendeine Wirkung gehabt hatte. Nur um sicher zu gehen, dass der Haul seinen Kopf unten hielt, feuerte er noch ein paar Schüsse ab und wechselte das Magazin. Vorsichtig versuchte er das Bein zu bewegen. 'Vermutlich nur ein verstauchtes unteres Knie. Los, hoch mit dir, du Idiot. Wenn seine Freunde zur Party erscheinen ...'

Er stemmte sich gegen den Zug des Schlamms. Die Masse machte obszöne schlürfende Geräusche, während sie ihn widerwillig freigab.

Etwas kleines flog über die Kante. Mit einer unerwarteten Klarheit realisierte Forne, dass er es niemals rechtzeitg über die Böschung schaffen würde. Er warf sich nach vorn, um das Ding zurückzuwerfen, aber sein verletzte Knie versagte. Gerade ausser Reichweite fiel die Granate mit einem Plopp in den Matsch. Er krabbelte, kämpfte mit dem Schlamm, streckte den Arm aus.

Sie explodierte. Licht blendete ihn. Forne fühlte einen Schock, als würde jede Zelle seines Körpers gleichzeitig vom Blitz getroffen. 'Nicht meine ...' Sein letzte Gedanke wurde von Dunkelheit weggespült.