Haul
Schiffsführung
«Ohne Ehrengarde?» Der Kapitän der RORR traute seinen Ohren nicht, als Rarrarar seinen Wunsch vortrug. Es wäre nicht das erste tragische Ereignis auf dem Flug zum Therapieschiff. Wenn die Rabit sich einmal in den Kopf gesetzt hatten zu sterben, dann konnte niemand sagen mit welcher genialen Dummheit sie es als nächstes versuchen würden. Einmal hatten sie versucht ihre Betten anzuzünden. Ein anderes Mal hatten sie die Duschen in ein Aquarium umfunktioniert, um sich zu ertränken. «Er ist ein geehrter Gast Ihres Hauses!»
«Er fühlt sich unwohl, wenn Haul in der Nähe sind,» erklärte Rarrarar. «Daher habe ich überlegt, dass Raor allein besser wäre. Sie hat grosse Erfahrung mit den Rabit. Ausserdem werden wir ihre Bewegungen über das Sicherheitssystem beobachten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es zu irgendwelchen Problemen kommen könnte.»
Der Kapitän lehnte sich zurück, um nachzudenken. Seine höchste Priorität war die Sicherheit des Schiffs. Da dies eine Einheit des Hauses Haul-Heror war hatte Rarrarar hier kein Mitspracherecht. Andererseits war er eine der bedeutendsten Persönlichkeiten des Imperiums. Eine Legende seit dem Vertrag von Rarera. Ihn ohne guten Grund abzuweisen würde einen Gesichtsverlust für Haul-Heror bedeuten. Raor hatte kein Kampftraining aber die Sicherheitssysteme des Schiffs sollten vier Rabit im Zaum halten können, bis Verstärkung eintraf. «Nach Prüfung aller Fakten kann ich zustimmen vier Rabit eine Führung durch das Schiff zu geben,» teilte er Rarrarar mit.
«Ich danke Ihnen, Kapitän. Ich habe schon einige Vorschläge was wir ihnen zeigen sollten.»
Der Kapitän wunderte sich, warum der Berater so ein grosses Interesse an dieser Sache zeigte. «Dann überlasse ich die Vorbereitungen Ihnen. Alle notwendigen Mittel stehen Ihnen zur Verfügung,» bot er freigebig an.
Zurück im Quartier der Rabit liess sich Forne auf das erstbeste Bett fallen. Seine Beine fühlten sich an, als würden sie ihn keinen weiteren Schritt mehr tragen.
«Das war clever,» lobte Majorin Boser ihn. «Miller, du bleibst hier, für diese Tour brauche ich mehr Hirn.» Auf eine Geste von ihr begann eine Gruppe von Rabit laut ein scharfes Lied zu singen, um ein Abhören der Unterhaltung unmöglich zu machen. Andere zogen die Bettbezüge von einigen Betten ab und arrangierten sie um die Gruppe, um das Ablesen von den Lippen zu verhindern.
«Wie war es draussen?» fragte eine Offizierin.
«Sauber,» lachte Vance. «Verdammt, der Boden draussen ist so poliert, dass ich mich damit schminken könnte! Und alles ist rot. Wie Blut.»
«Immer ein Auge auf den wichtigen Sachen, he?» schnaubte Miller. «Es gibt drei Wachringe. Jeder Ring hat seine eigenen Barrikaden und kann einzeln mit verstärkten Türen abgeriegelt werden. Die Türen sind etwa so dick.» Er hielt seine Pfoten im entsprechenden Abstand. «Sie haben genug Waffen für uns alle inklusive Reserve und genug Feuerkraft um sicherzustellen, dass wir unsere dreckigen Pfoten fernhalten.»
«Ich will keinen Jubel. Die Haul verhalten sich im Moment ordentlich und ich will das nicht ändern,» befahl Majorin Boser. Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass jedes Ohr ihrem Befehl verstanden hatte, sagte sie leise: «Es scheint, dass die grosse Explosion von vorher eines der Haul-Schiffe war. Es hat einen General von ihnen erwischt.»
Die Gespräche im Hintergrund nahmen deutlich zu, während die Rabit ihren Sieg still feierten. Majorin Boser lächelte Forne an. «Sieht so aus als könnten die neuen Prototypen wirklich zuschlagen.»
«Ja.» Forne nickte ernst. 'Einmal,' fügte er in Gedanken hinzu. Bis auf Vance hatte er bisher niemanden von den Spezialeinheiten gesehen. Bevor die Haul ihren Verlust zugegeben hatten, war er davon ausgegangen, dass sie entkommen waren. Zu wissen, dass einer von ihnen Tot war, dämpfte seine Stimmung deutlich. 'Wen hat es getroffen? Morry? Danny?'
«Okay, alle wieder zurück zum Unschuldig aussehen,» befahl Boser und riss ihn damit aus seinen düsteren Gedanken. «Forne hat uns eine Tour durch das Schiff verschafft. Seht euch nach Schwachpunkten um. Stehlt was ihr könnt ohne erwischt zu werden. Schraubenzieher, Messer, vielleicht Waffen, aber riskiert nicht erwischt zu werden und vermeidet unter allen Umständen durchsucht zu werden. Wenn ihr zurückkommt, werden wir entscheiden wie unser nächster Schritt aussieht.»
'Falls wir zurückkommen,' dachte Forne und kämpfte mit einem plötzlichen Anflug von Verzweiflung. Für einen Augenblick schien alles so sinnlos, sie würden es niemals an den Wachen vorbei schaffen und das alles war vermutlich nur ein grausames Spiel der Wachen draussen, um ihnen etwas Hoffnung zu geben und sie damit noch einige Stunden ruhig zu halten.
«Wir werden vier Stunden auf eure Rückkehr warten,» sagte die Majorin. «Wenn ihr bis dahin nicht zurück seid, dann gehen wir davon aus, dass etwas ... passiert ist.»
«Mach' nicht so ein Gesicht,» grinste Miller.
«Du hast gut reden, ist ja nicht dein Fell,» knurrte Forne.
«Ganz ruhig,» mischte Majorin Boser sich ein. «Beruhigt euch, Kinder. Wir wollen doch unsere ... Gastgeber nicht nervös machen, oder? Wirst du es schaffen?»
«Ja,» versprach Forne trotz seines Zustands. «Ich werde dich nicht enttäuschen.»
«Gut.» Boser klopfte ihm ermutigend auf die Schulter. «Ich denke es sieht viel besser aus als noch vor einer Stunde. Jetzt wollen wir mal sehen welche Karten wir in der nächsten Runde bekommen.»
Eine Frau salutierte vor Boser. Diese stellte sie vor. «Das ist Chermy. Sie ist unser Experte für Haul. Sie ersetzt Miller.»
Während sie warteten abgeholt zu werden, verhörte Chermy jeden von ihnen, bis sie jede Information aus ihnen herausgequetscht hatte. Forne erinnerte sich kaum noch an etwas, dass er draussen gesehen hatte, aber die anderen hatten einen klaren Kopf behalten, und konnten ihr unzählige Details berichten.
«Ein Haus ist also vermutlich so einer Art Familie,» fasste Chermy zusammen. «Es hat nun einen General verloren. Wir müssen herausfinden, ob dieser Berater höher oder tiefer in der Hierarchie steht. Wer führt zu ein Haus? Und wie wichtig ist das Haus des toten Generals? Wie viele andere Häuser gibt es? Kooperieren sie oder bekämpfen sie sich?»
«Warum?» wunderte Vance sich.
«Weil wir eine grosse Menge von unverdächtigen Fragen brauchen, die unser Interesse zeigen,» erklärte Boser. «Zwischen denen können wir die wichtigen Fragen verstecken. Grösse der Crew. Position von lebenswichtigen Systemen. Sicherheitssysteme. Waffenkammer. Verteidigung. Sprungantrieb. Brücke.»
Die Tür öffnete sich und ein einzelner Haul kam herein. Er ignorierte die Blicke und ging direkt zu Forne. «Der Kapitän der RORR ist einverstanden,» sagte er mit seinem starken Akzent. «Ich wurde ausgewählt, um euch herumzuführen. Wann wäre es euch recht?»
Forne zwang sich nicht auf das Kabel zu starren, das aus dem Kopf des Haul kam. «Du bist doch dieser Raor, richtig? Nun ...»
Raor hatte ihre Grenzen und dieser Rabit hatte sie gerade überschritten. Mit einer gewissen Genugtuung unterbrach sie ihn: «Sir, mein Name ist Ra-or. Raor ist ein männlicher Name.»
Forne blinzelte. «Was?»
«Mein Name ist Ra-or, nicht Raor,» wiederholte sie.
«Ra-or?» versuchte der Rabit.
Raor hielt ihre Ohren gerade. «Das ist der Name einer Stadt.»
Majorin Boser kam Forne zu Hilfe. «Es tut mir Leid, aber wir können keinen Unterschied feststellen.»
Die Übersetzerin wandte sich ihr zu. «In diesem Fall möchte ich vorschlagen, dass wir einfach annehmen ich könnte seinen Namen korrekt aussprechen und er meinen.» Nach einem Seitenblick auf Forne fügte sie hinzu: «Und ich bin weiblich.»
Die Art und Weise wie er sie musterte sagte ihr, dass er keine Ahnung hatte, wie man weibliche und männliche Haul erkannte. 'Weiss dieser Mann irgendwas?' wunderte Raor sich. 'Hat er bei den Instruktionen geschlafen? Oder waren seine Gedanken woanders, etwa in seiner Hose ...' Sie rief sich zur Ordnung. Wenn sie auf die Spielchen einging, die der Rabit mit ihr zu spielen versuchte, dann konnte niemand sagen, wo das Enden würde. Zudem fühlte sie sich aggressiver als normal, wegen den Spritzen, welche sie erhalten hatte.
«Ich bin sicher, er hatte keine bösen Absichten,» sagte Majorin Boser schnell, um ihre Chancen zu retten. «Wenn du bereit bist uns das Schiff zu zeigen, dann sind wir auch bereit.»
Raor gab sich Mühe ihre Abneigung von ihren Ohren fernzuhalten. Sie hatte wirklich gehofft die Rabit würden die Tour erst morgen beginnen wollen, was ihr die Zeit zur Erholung verschafft hätte. Aber nun gab es keinen Ausweg mehr. «Wie ihr wollt. Hast du deine Begleiter ausgesucht?»
Drei Rabit <!-- Boser, Chermy, Vance --> gesellten sich zu Forne. «Ja, wir können loslegen.»
«Sehr gut.» Raor versuchte sich zu entspannen. «Was möchtet ihr zuerst sehen?»
«Oh, ich würde gerne den Hangar, den Sprungantrieb und die Brücke sehen,» meinte Forne wie nebenbei. «Was ist am nächsten?»
Raor griff kurz auf ihr Implantat zurück, um sich das Layout des Schiffs anzusehen. «Das wäre der Hangar,» antwortete sie. «Bitte folgt mir.»