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Admiralin Martia Restino muss sich ihrer Niederlage stellen. Soll sie noch ein paar Minuten ausharren, ihre restliche Crew riskieren, um vielleicht einige wenige Piloten vor den Haul zu retten oder sofort nach Hause springen?

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Haul

Rückzug

Admiralin Martia Restino nahm die Niederlage ihrer Truppen mit unbewegtem Gesicht zur Kenntnis. Wenige Sekunden nachdem der Feind von den Sensoren erfasst worden war, hatte sie aufgehört sich zu wundern, wie die Haul sie schon wieder in den Tiefen des Alls hatten finden können. Zum dritten Mal kreuzte sie nun die Klingen mit diesen tödlichen Bestien. Wie bei den anderen beiden Malen war der Anblick auf den taktischen Bildschirmen ähnlich wie der Blick über die Schulter eines Kindes beim Spielen eines Weltraumshooters. Ein sehr geschicktes Kind. Leider nicht auf ihrer Seite. Zehn Minuten nach dem Start der Jäger hatten die Haul bereits 40% davon abgeschossen - ohne einen feststellbaren Verlust auf ihrer Seite.

«Status?» fragte sie.

«Morry sollte in knapp 30 Sekunden in Position sein. Kein Kontakt mit den anderen drei.»

Die Admiralin gestattete der Verzweiflung keinen Zugang zu ihrem Gesicht. Dreissig Sekunden bedeuteten gleich viele Verluste. Kleine Bergungseinheiten der Haul schwirrten bereits wie Fliegen über das Schlachtfeld, magisch angezogen von den Jägern, die sie verloren hatte. Niemand wusste, was mit den Piloten geschah, nur dass nichts zurückblieb, weder Freund noch Feind oder irgendwas an Ausrüstung, das grösser war als ein Stecknadelkopf. Restino verfolgte die Vorgänge nur mit einem Auge. Ihr Team wusste was zu tun war, es gab keine Entscheidungen zu fällen, ihre Gedanken begannen zu wandern. 'Warum? Warum tun sie das? Es ist so sinnlos!'

Da war ein Lichtblitz. Völlige Stille. Köpfe drehten sich zur Ortungsabteilung. Erwartungsvolle Stille. «Status.» Ihre Stimme klang so ausgetrocknet wie ihr Mund sich anfühlte.

«Morry hat das Ziel erreicht!» kam die Antwort. «Wir sind noch 5 Sekunden geblendet!»

'Oh, Teer, bitte lass die neuen Prototypen ein Erfolg sein!' betete sie. Sekunden vergingen wir Ewigkeiten.

«Bestätigt! Ziel schwer beschädigt!»

Die Nachricht löste Jubelschreie aus. Restino lehnte ihren Kopf an die Kopfstütze und atmete tief durch. Sie wollte nicht an all die Frauen denken, die unter ihrem Kommando getötet worden waren, um diesen Erfolg zu ermöglichen. «Die Jäger zurückrufen!» befahl sie.

Obwohl die Strategie im Vorfeld besprochen worden war, wandten sich doch einige ungläubige Gesichter ihr zu. «Ma'am?»

«Da die drei anderen Einheiten verloren sind, erhöht jede weitere Sekunde hier nur unsere Verluste. Ruft alle Einheiten zurück. Kontakt mit Morry?»

Der Leiter der Ortung drehte sich zu ihr um und sein Gesichtsausdruck beantwortete ihre Frage bevor er die Worte aussprach. «Sie war ... sehr nahe dem Explosionszentrum.»

Sie hatten so etwas befürchtet. Die ursprüngliche Idee hinter dem neuen Prototyp war gewesen sich so nahe wie möglich an den Feind anzuschleichen, die Bombe abzuwerfen und mit der Detonation zu warten, bis der Pilot eine sichere Entfernung erreicht hatte. Die Idee war aus purer Verzweiflung geboren worden. Aus irgendeinem Grund hatten Raketen mit Gefechtsköpfen es nie bis zum Ziel geschafft, aber Jäger waren den 1.5km langen Basisschiffen der Haul nahe gekommen. Also hatte man den Sprengkopf in einen getarnten Jäger transferiert mit einem lebenden Piloten, um ihn abzuwerfen.

Psychologen hatten gewarnt, dass die Piloten daraus Selbstmordflüge machen könnten, obwohl sie die strikte Order hatten mit der Detonation zu warten, bis sie in Sicherheit waren. Ihr Argument war gewesen, dass die Piloten wussten, dass Raketen mit Gefechtsköpfen versagt hatten. Also würden sie das Risiko des Fehlschlags minimieren wollen, indem sie die Explosion manuell auslösten während sie noch nahe waren, um die Bombe quasi mit ihrem Leben zu schützen, damit die Magie der Haul nicht zum Einsatz kommen konnte. Sie hatte sich die Einwände angehört und ignoriert, wohl wissend, dass sie keine Wahl mehr hatten. Wenn dies der Preis für den Schutz des Rabit Commonwealth war, sie würde ihn mit Freuden zahlen.

«Einheiten kehren zurück,» wurde ihr mitgeteilt.

«Danke. Sperrfeuer.»

«Aye, Aye, Ma'am. Sperrfeuer. Schalte Geschütze auf Sperrfeuer. Sperrfeuer liegt an.» Das Geräusch der grossen Geschütze auf der Hülle wechselte von kurzen Feuerstössen zum tiefen Rumpeln des Hochleistung-Sperrfeuer-Modus. Auf ihrem Monitor konnte sie ganze Bündel Raketen aus ihren Startschächten schiessen sehen, bereit sich auf alles zu stürzen, was den zurückkehrenden Jägern folgen könnte.

«Keine Verfolgung durch Haul kam der Ruf von den Sensoren.

Ihr Kopf flog herum. «Was?»

«Sie ziehen sich zurück! Die Haul ziehen sich zurück!»

Das Jubelgeschrei war ohrenbetäubend. Admiralin Restino wurde klar, dass sie möglicherweise gerade den ersten Sieg ihrer Rasse in diesem verlustreichen Krieg errungen hatte. 'Oh, Teer, danke!' Sie spürte einen Schub der Freude, der vom Sprungalarm abgewürgt wurde. «Was?» schrie sie auf, da wurde die Raumzeit bereits brutal zur Zusammenarbeit gezwungen. Als ihr Verstand wieder einsetzte, war alles verschwunden: Der Planet, die Sonne, ihre Frauen, die Haul. Kalte Sterne füllten die Displays. «Was ist passiert? Wer hat den Sprung ausgelöst?» brüllte sie. «Wie lange, bis wir zurück springen können?» Entsetzt wurde ihr klar, dass fast alle ihrer Jäger bei LC-5437 zurückgeblieben sein mussten, ohne jede Unterstützung, hilflose Opfer der Rache der Haul.

«Ma'am?» Die unsichere Stimme der Technik-Leiterin suchte und fand ihre Aufmerksamkeit. Die Frau schrumpfte unter ihrem Blick. «Es war Mince Dexter. Er hat den Notsprung ausgelöst, keine Ahnung wie. Es ... es wird ... sechs Stunden dauern, den Antrieb für einen Rücksprung zu konfigurieren ...»

Restino schloss die Augen, wünschte sich einen Augenblick woanders zu sein. In sechs Stunden würden die Haul jeden umgebracht haben, der zurückgeblieben war. Oder schlimmeres.

«Mince hat sich inzwischen ... umgebracht.»

Die Admiralin drang nicht weiter in sie. Ob Mince von der Crew in der Luft zerrissen worden war oder es geschafft hatte sich vorher noch zu erschiessen, es war ihr egal. «Verstehe. Bringen sie den Antrieb wieder online. Status der anderen Träger?»

«Wie vom automatischen Protokoll vorgesehen sind sie uns gefolgt, als wir sprangen.»

Admiralin Restino warf einen Blick auf ihre Anzeigen. Nur zwei Piloten hatten es vor dem Unglück geschafft einzuschleusen. 'Zwei von fast 800,' dachte sie und sperrte ihre Gefühle in eine tiefe, dunkle Ecke in ihrem Gehirn. Inzwischen fühlte sich der Sieg mehr wie eine Niederlage an. «Ich werde persönlich mit den beiden sprechen, die es zurück geschafft haben,» entschied sie.

Betretens Schweigen. «Ja, Ma'am.»

Sie machte einen tiefen Atemzug, beruhigte sich und zwang eine Entschlossenheit in ihre Stimme, die sie nicht wirklich empfand. «Achtung, an Alle.» Ohren wandten sich ihr zu. «Durch den Fehlsprung gibt es keine Chance rechtzeitig nach LC-5437 zurückzukehren, um unsere Frauen zu retten. Jetzt stehen die Haul noch unter Schock, aber bald werden sie Rache üben an denen, die wir unfreiwillig zurückliessen. Wir alle wissen, wie schnell sie sind. Wenn wir ohne den Schutz unserer Jäger zurückspringen würden, um zu retten, was noch zu retten ist, wir würden nur ein hilfloses Opfer eines Angriffs wie wir ihn noch nicht erlebt haben. Egal wie fremd sie sind, der Verlust eines Drittels ihrer Flotte wird sie blind machen vor Wut.» Sie atmete nochmal tief durch, ignorierte die ungläubige Blicke in den vielen Gesichtern auf der Brücke. «Wenn wir zurückkehren würden, um die zu retten, die für alles das gekämpft haben, an das wir glauben und wofür wir stehen, wir würden nur die Zahl der Opfer erhöhen. Nein, wir müssen uns dem Entsetzlichen stellen und nach Hause zurückkehren.»

Bevor irgend jemand etwas sagen konnte, stand die Leiterin der Technik von ihrem Platz auf. «Ma'am, das was mein Fehler. Du hast uns heute zu einem grossartigen Sieg verholfen und ich habe es vermasselt, indem ich Mince erlaubt habe in die Nähe dieses verdammten Schalters zu gelangen. Ma'am, ich werde dafür sorgen, dass die Sprungtriebwerke so bald wie möglich wieder zur Verfügung stehen, um meinen Fehler wiedergutzumachen und dann von meinem Posten zurücktreten ... natürlich nur mit deiner Erlaubnis.»

Die Geste rührte die Admiralin. «Danke. Bring uns nach Hause.»

«Ja, Ma'am!»

Restino lehnte sich zurück, ihr Gesicht ruhig. 'Ich werde sicherstellen, dass du nicht unter die Räder kommst, das verspreche ich. Dieser idiotische Dexter! Ich konnte ihn von Anfang an nicht leiden. Keinen von ihnen!'

* * *

«Hast du das gesehen?» Chuck riss wutentbrannt den Helm von seinem Raumanzug und schleuderte ihn in die Hände des wartenden Crewmitglieds. «Ich kann es verdammt noch mal nicht glauben!»

«Yeah,» nickte sein Flügelmann. «Auf die lahme Ausrede für diesen Scheiss bin ich wirklich gespannt.»

Sie zogen sich mit schnellen, wütenden Bewegungen zum Ausgang des Zero-G Hangars. In der Transitröhre trafen sie auf eine Gruppe von Waffen-Technikern. «Was zur Hölle habt ihr Arschlöcher getrieben?» Chuck schnappte sich einen am Kragen. «Warum haben die Geschütze nicht gefeuert?»

Der Techniker beantwortete seine Wut mit einem kühlen Blick. «Wovon redest du?»

«Wovon ich rede?» Chuck holte tief Luft. «Wovon zur Hölle ich rede? Wo war das verdammte Sperrfeuer? Warum hat kein einziges Geschütz sich bewegt? Warum hat mein Radar nicht eine einzige Rakete angezeigt? Was habt ihr Arschlöcher getrieben, während die Haul mit uns gespielt haben? Euch gegenseitig die Ohren abgefickt?»

«Es gab ein Problem mit dem Munitionstransportsystem,» antwortete sein Opfer.

«Was?» zischte Chuck. «Mehrere Stunden? Es gab kein Sperrfeuer als wir gingen und ganz sicher keins als wir zurückkamen! Warum hat keines der Geschütze uns geschützt?»

«Nur zwei ...,» begann der Techniker, aber Chucks Flügelmann schnitt ihm das Wort ab. «Lass den Scheiss. Während der ganzen Zeit hat keines auch nur einen Schuss abgefeuert!»

«Ist das so.»

Chuck wurde plötzlich klar, dass er den Techniker am Kragen gepackt hatte, aber dieser ihn an den Handgelenken. Ausserdem waren sie beide umzingelt von einer ziemlich grossen Gruppe von dessen Kollegen. «Was ...»

Eine Faust traf seinen oberen Magen. Schmerz explodierte mitten in seinem Körper. Er kämpfte darum Luft zu holen. Als seine Muskeln endlich wieder reagierten und er nach Luft schnappte, sprühte jemand ein Aerosol in seinen Mund. Neben ihm führte sein Flügelmann den gleichen Kampf. Chuck versuchte an seine Waffe zu kommen, aber der Techniker liess nicht los. Gerade als ihm klar wurde, dass es möglicherweise einen tieferen Grund für das Versagen der Geschütztürme geben könnte, schwappte eine Welle der Euphorie über ihn. 'Dexter,' las er auf dem Namensschild des Technikers. Dexter war ... war sein bester Freund.

«Noch einen?» Dexter bot ihm eine zweite Sprühflasche an.

Chuck zögerte einen Moment, unsicher ob er sie in seinem Zustand sicher greifen konnte, dann sog er den Stoff gierig ein. Er war gut. Richtig gut. Das ganze Universum war sein Freund. Der Nachschub war endlos.

Ein Sicherheitstrupp fand sie eine halbe Stunde später. Sie atmeten kaum noch. Ein dutzend Sprühflaschen schwebten um sie herum. Die Luft war geschwängert vom Geruch der illegalen Droge. Die Sicherheit musste sich zurückziehen und mit geschlossenen Anzügen zurückkehren, denn sie spürten die Wirkung ebenfalls. Die Ärzte konnten nur noch diagnostizieren, dass bereits eine tödliche Dosis der Droge vom Gehirn absorbiert worden war.

* * *

Als Admiralin Restino nach den beiden einzigen Überlebenden fragte, musste sie erschüttert feststellen, dass diese sich bereits zu Tode gefeiert hatten, wohl wegen dem ersten Sieg über die Haul. '793 ... Ich habe jede einzelne Frau unter meinem Kommando verloren.' Sie stiess sich aus ihrem Sitz, für einmal dankbar über die fehlende Gravitation. «Ich bin in meinem Raum.»

Sie verriegelte die Tür hinter sich und sank in sich zusammen. Schon zum dritten Mal brachte sie niemanden zurück. 'Ich kündige. Ich ertrage es einfach nicht mehr. Admiralin Richards kann meinetwegen machen was sie will, ich ertrage es einfach nicht mehr.'

* * *

Die Leiterin der Technik hatte alle notwendigen Befehle gegeben und hatte jetzt wieder etwas Luft zum Nachdenken. 'Wie hat Mince Dexter es alleine geschafft einen Sprung auszulösen? Das sollte nur von den Zentrale aus gehen!' Sie starrte auf das Log, wo man ganz klar sehen konnte, dass Mince den Sprung ausgelöst hatte und zwar mit einem gültigen Aktivierungscode. 'Wo zur Hölle hatte er den Code her?' Sie rief eine Kollegin Tina an.

«Sicherheit,» meldete sich Tina.

«Hey Tina. Ich brauche jemanden von deinem Team, um die Sache mit Mince zu untersuchen.»

«Verstehe. Ich schicke dir Rickey, ist das okay?»

«Du bist ein Schatz.»

«Immer,» lächelte Tina.

* * *

Zwei Stunden später standen die Leiterin der Technik, der Sicherheit und der Anführer der Dexter an Bord vor Restino. «Also?» fragte die Admiralin scharf.

Die beiden Leiterinnen sahen zum Dexter, der mit ausdruckslosem Gesicht neben ihnen schwebte. «Wie die meisten aus meinem Team,» erklärte er mit monotoner Stimme, «hatte Mince eine Sicherheitsfreigabe Stufe 2.»

«Stufe 2!» rief Tina aus. «Ich habe 4!»

Der Dexter liess sich nicht unterbrechen. «Das ist für unsere Arbeit unumgänglich. Eine vorläufige Untersuchung hat ergeben, dass Mince sich schon gestern den Code für einen Notsprung hat generieren lassen. Warum und weshalb er den Code gerade jetzt verwendet hat, wissen wir noch nicht. Da Mince tot ist und er keine Aufzeichnungen hinterlassen hat, die sein Verhalten erklären könnten, sind die Chancen gering, dass wir jemals mehr herausfinden.»

«Bist du dir bewusst, dass die Aktion von Mince mehr als 300 meiner Frauen den Pfoten der Haul ausgeliefert hat?» fragte Restino vorwurfsvoll.

«Ja.» Nach einer Pause fügte der Dexter hinzu: «Ich bedaure diesen Zwischenfall. Wir werden alles unternehmen, was möglich ist, damit so etwas nicht mehr vorkommt.»

«Das will ich auch hoffen!» Die Admiralin musste sich beherrschen, um ihn nicht anzuschreien. Sein Verhalten ging ihr gegen den Strich ihres Pelzes. «Ich werde mich direkt bei Ministerin Dreick über diesen Vorfall beschweren!»

Dazu gab der Dexter keinen Kommentar ab. Es gab kein Anzeichen, dass ihn die Situation in irgendeiner Weise berührte.

«Du kannst wegtreten.» Nachdem der Dexter die Tür hinter sich geschlossen hatte, schüttelte Restino den Kopf. «Eiskaltes Ekel. Okay ihr beiden. Ich will, dass ihr der Sache ebenfalls auf den Grund geht. Wenn ich mit Dreick spreche, dann will ich etwas in der Pfote haben. Diese Geschichte mit den Dextern gerät meines Erachtens ausser Kontrolle. Überwachung ist eine Sache, aber einfach so Befehle zu erteilen, für die es aus guten Gründen das Vier-Ohren Prinzip gibt, das geht einfach nicht!»

«Ja, Ma'am!»

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